In Osnabrück produzieren 2.300 VW-Beschäftigte Autos. Die Produktion ist nur noch bis Ende 2027 gesichert. Der profitabelste Rüstungskonzern Rheinmetall zeigt Interesse und auch VW-Chef Blume zeigt sich grundsätzlich offen. Aber soll das Werk in Zukunft für das Militär produzieren?!
Die Stadt des westfälischen Friedens, Büro für
Friedenskultur, Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis, Friedensgespräche ergeben “gelebten Frieden” in Osnabrück. Das soll so auch bleiben.
Erhalt aller Arbeitsplätze,
Arbeitszeitverkürzung und
langfristige Perspektive jetzt!
Die Automobilindustrie steckt in der Krise. Rheinmetall wittert die Chance und macht mit Rüstung Profite in Milliardenhöhe. Aber: Was brauchen wir eigentlich?
Produktionskapazitäten für den öffentlichen Personennahverkehr:
“Volkswagen vor Grundsatzentscheidung: Panzer oder Kleinbus?
Im VW-Werk in Osnabrück entscheidet sich die industrielle Zukunft Deutschlands. Weist sie in Richtung Rüstungsproduktion oder sozial-ökologische Mobilität? Eine Auseinandersetzung mit Signalwirkung – für Klima, Frieden und Klassenpolitik.” (Quelle: Artikel von Stephan Krull und Mario Candeias in derFreitag)
Am Volkswagen-Standort Osnabrück arbeiten derzeit rund 2.300 Beschäftigte. Bei VW herrscht ein hoher gewerkschaftlicher Organisationsgrad, über 90% der VW-Beschäftigten in Deutschland sind Mitglied der IG Metall. Seitdem Volkswagen 2009 das Werk von der Karmann GmbH übernommen hat, werden hier VW-Fahrzeuge in Vollfertigung- und Kleinserienproduktion hergestellt, aktuell vor allem der Porsche 718 und der VW T-Roc Cabrio. Vor einigen Jahren wurden dort aber auch Kleinbusse (MOIA) entwickelt und produziert. Der Standort zeichnet sich also durch eine hohe Kompetenz in verschiedenen Fertigungsbereichen und hoher Flexibilität, unterschiedliche Produkte zu entwickeln und herzustellen, aus. Die Zukunft des Standorts ist jedoch gefährdet: Ab 2027 ist bisher unklar, wie es mit der Produktion und den Beschäftigten weitergeht. Rheinmetall hat nun Interesse bekundet, das Werk zu übernehmen [1].
Volkswagen steckt – wie die deutsche Autoindustrie insgesamt – in einer schweren wirtschaftlichen Krise. So brach der Gewinn des Konzerns im ersten Quartal 2025 um mehr als 40 Prozent ein. Währenddessen verzeichnet der Rüstungskonzern Rheinmetall bei seinen Aufträgen Zuwächse in Rekordhöhe. Die Übernahme von bestehenden industriellen Produktionsstandorten sowie Fachkräften wäre für ihn eine einfache Möglichkeit, schnell seine Produktion auszuweiten.
Grund für den Boom bei Rheinmetall sind stark gestiegene Investitionen in Militär und Rüstung in Deutschland. Zu deren Finanzierung hatte der Bundestag zunächst ein 100 Milliarden Euro schweres Sondervermögen und am 18. März 2025 die Lockerung der Schuldenbremse beschlossen. Außerdem haben sich die NATO-Staaten im Juni 2025 das Ziel gesteckt, zukünftig fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Militärausgaben zu verwenden[1].
Zugleich wird öffentlich wenig angeprangert, welche – auch politische – Rolle der größte deutsche Rüstungskonzern spielt. Der Dachverband Kritischer Aktionär*innen hat folgende Kritik am Unternehmen veröffentlicht:
Politische Einflussnahme: Im Bundestagswahlkampf habe die Rheinmetall-Tochter Blackned gezielt Spenden an Abgeordnete des Haushalts- und Verteidigungsausschusses geleistet – jene Gremien also, die über die Vergabe von Milliarden aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr entscheiden.
Menschenrechte: In der Geschäfts- und Exportstrategie Rheinmetalls fehle es an demokratie- und menschenrechtsbezogenen Kriterien.
Waffenlieferungen an autoritäre Regime: Rheinmetall habe immer wieder Länder beliefert, in denen Menschenrechte missachtet würden. Unter anderem sollen Bomben, Munition, Radarsysteme und Schiffskanonen an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate geliefert worden sein – Länder, die im Jemen-Krieg für schwerste Kriegsverbrechen verantwortlich gemacht werden. Außerdem unterstütze Rheinmetall Autokraten, eigene Rüstungsindustrien aufzubauen: „Besonders problematisch ist die Expansion nach Südafrika, wo Rheinmetall über das Joint Venture RDM komplette Munitionsfabriken an autoritäre Regime wie Saudi-Arabien, die VAE oder Ägypten liefert. Rheinmetall gibt damit jede Kontrolle über den Endverbleib seiner Produkte auf und trägt dazu bei, dass Autokratien ihre eigenen Rüstungsindustrien ausbauen können. Anstatt Verantwortung für die Folgen seiner Produkte zu übernehmen, verlagert Rheinmetall die Risiken bewusst ins Ausland“[2].
Unter Konversion versteht man die Umnutzung eines Werks oder einer Industrieanlage für einen anderen Wirtschaftszweig – zum Beispiel, wenn in einem Werk erst Kühlschränke und später Fahrräder hergestellt würden. Viel genutzt wird der Begriff im Kontext der Friedensbewegung: Als ein Schritt der Abrüstung wird die Konversion von Rüstungsindustrien hin zu ziviler Produktion gefordert.
Heute wird innerhalb der Verkehrswende-Bewegung häufig über Konversion gesprochen, wenn es um die Umnutzung von Automobilwerken für die Produktion von öffentlichen Verkehrsmitteln wie Züge oder Busse geht. Statt klimaschädlicher Autos sollten zukünftig mehr öffentliche Verkehrsmittel hergestellt und damit ein Beitrag zur sozial-ökologischen Transformation geleistet werden.
Was nun in Osnabrück droht, ist aus klimapolitischer Perspektive gewissermaßen die Konversion in die „verkehrte Richtung“: die Umnutzung eines Autowerks, um dort Rüstungsgüter herzustellen.
Im Görlitzer Alstom-Werk ist das bereits Realität: Seit über 200 Jahren leistet das Unternehmen eigenen Angaben nach einen Beitrag zur öffentlichen Mobilität. 700 Angestellte bauen und reparieren in Görlitz unter anderem Loks und Straßenbahnen. Nun wird auch hier die Zeitenwende sichtbar: Der französische Rüstungskonzern KNDS übernimmt in diesem Jahr die Produktion und wird zukünftig Rüstungsgüter produzieren – unter anderem den Kampfpanzer LEOPARD 2 und den Schützenpanzer PUMA. Um auch hier aufzuzeigen, dass die Verkehrswende nicht zugunsten der Rüstungsproduktion aufgegeben werden darf, haben Aktivist*innen um den 1. Mai 2025 gegen eine Konversion eines Bahnunternehmens zu einem Standort für Rüstungsproduktion protestiert.
Ein gutes Beispiel kommt aus Italien, genauer gesagt aus Florenz. Dort wehren sich die Beschäftigten des ehemaligen Autowerks GKN seit Jahren gegen dessen Schließung. Sie haben sich organisiert und eine Genossenschaft gegründet, um die Industrieanlage zu erhalten und dort Lastenräder und Solarmodule zu produzieren. Dafür haben sie eng mit der italienischen Klimabewegung zusammengearbeitet und bei Demonstrationen zehntausende Personen hinter sich versammelt.
Auch in Wolfsburg wurden während des Projekts „VW steht für Verkehrswende“ Ideen erarbeitet, wie die Produktion auch auf zivile Weise umgestellt werden könnte. Denn es ist hinlänglich bekannt, dass die Industriearbeiter*innen über hohes technisches Know-How verfügen und es für sie keine Schwierigkeit darstellen würde, statt Autos – oder Waffen – Solaranlagen, Busse und Bahnen zu produzieren.
Erfolgreich war ein Arbeitskampf der IG Metall bei einem Autozulieferer in Simmern: Dort konnte durch Warnstreiks 2025 erreicht werden, dass der Standort erhalten bleibt und zukünftig dort Eisenbahnersatzteile gebaut werden.
Die Perspektive der Beschäftigten ist durch die zunehmende Krise der Automobilindustrie noch relevanter geworden: In der Zulieferindustrie, aber auch bei den „großen Fischen“ wie Volkswagen, steht ein massiver Personalabbau an, ausgelöst durch Absatzkrisen sowie der Veränderung der Produktion durch E-Mobilität. Menschen fürchten also konkret um ihre Arbeitsplätze in einer Branche, die die Klimakrise vorantreibt. In der aktuellen Situation stehen viele Beschäftigte in der Automobilindustrie vor einer ungewissen Zukunft. Sie müssen Lohneinbußen und Arbeitszeiterhöhungen hinnehmen und Tarifauseinandersetzungen führen.
Die Sicherung von Jobs ist ein wichtiger Baustein der Auseinandersetzung um die Weiterentwicklung der Industrie in Deutschland. Fachkräfte und auch Industrieanlagen sollten sinnvoll (weiter-)genutzt werden. Wir fordern daher sichere und gute Arbeitsplätze für alle Menschen.
Gleichzeitig wird auch die Debatte, was und wie an diesen Standorten zukünftig produziert wird, momentan ausschließlich anhand von wirtschaftlichen Kriterien entschieden. Die Perspektiven der Beschäftigten und eine gesellschaftliche Debatte, was sinnvoll und notwendig produziert werden sollte, fehlt. Wir glauben, dass diese Debatte nicht nur fair, sondern auch unerlässlich ist. Denn wenn nur Unternehmensinteressen und Gewinne darüber entscheiden, was produziert wird, rückt ein sozial-ökologische Wende in weite Ferne.
Es braucht in der offenen Diskussion um die Weiternutzung von Industriestandorten eine Vergesellschaftungs-Perspektive: Die Produktion sollte ebenso selbstorganisiert ablaufen wie das politische Leben. Menschen sollten selbst darüber entscheiden, was sie produzieren. Die Transformation von Industriestandorten sollte daher auch eine Möglichkeit für Vergesellschaftung, also für Selbstorganisierung und kollektive Besitzverhältnisse, beinhalten.
Wir sind ein loser Zusammenschluss von unterschiedlichen Akteur*innen aus der Zivil-Gesellschaft, dem Umfeld von VW-Arbeiter*innen, Gewerkschafter*innen von IG-Metall und ver.di, der Friedensbewegung, der Klimagerechtigkeitsbewegung und einigen mehr.
01.09., 18 Uhr, Start am Rathaus:
Demonstration zum Antikriegstag
Veranstalter: DGB Osnabrück
08.09. | 18:30 Uhr, Uni Osnabrück 1/E01:
Filmvorführung und Diskussion:
“VerkehrsWendestadt Wolfsburg – den automobilen Konsens aufbrechen”
15.09. | 17 Uhr, kleiner Saal Haus der Jugend:
Workshop: Einführung in kreative Aktionsformen
15.09. | 19 Uhr, kleiner Saal Haus der Jugend:
Zweites Vernetzungstreffen für Aktive & Interessierte
20. + 21.09., (Ort folgt):
Aktionstraining für Neugierige
02.10. | 18 Uhr, Familienbildungsstätte:
“Eine Zukunft ohne Rheinmetall”
Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung
Ab dem 15. September ist ein Blog verfügbar, worüber unterschiedliche Aktivitäten und Inhalte kommuniziert werden.
Hier sammeln wir Presseberichte und Artikel zu den Themen.
Du hast Interesse mitzumachen oder Fragen? Dann meld Dich gerne bei uns: mail@zukunftswerk-osnabrueck.de
Wir sind ein loser Zusammenschluss von unterschiedlichen Akteur*innen aus der Zivil-Gesellschaft, dem Umfeld von VW-Arbeiter*innen, Gewerkschafter*innen von IG-Metall und ver.di, der Friedensbewegung, der Klimagerechtigkeitsbewegung und einigen mehr.
Herzlichsten Dank an der Stelle an Robin Wood, die mit einer ersten Aktion das Thema in die Öffentlichkeit gebracht haben und dessen FAQ zunächst übernommen wurde.